Une saison en Enfer

Das war in dem Winter als die leeren Gasthäuser in den Kleinstädten der östlichen Provinzen brannten. Mir lief ein Schauer über den Rücken, jedes Mal als der Mob im TV den Flammen applaudierte.

Hin und wieder sah ich dann unwillkürlich einen anderen Brand vor mir, in dessen Flammen blaue Astern und weiße Pierrotpuppen tanzten. Der Rauch, der aus ihm aufstieg, verwehte bis weit hinüber nach Buckow.

Ich erinnerte mich dabei an den Lama im Tibet Guest House, Kathmandu. Er trug eine goldene Uhr und spielte auf seinem Mobiltelefon. “Leben, Nebelauge, ist ein Gedicht rezitiert von Blinden”, servierte er mir seinen suppenlöffeltiefen Schlag an Weisheit.

Noch während er sprach – fletschten irgendwo nicht weit von ihm die Bettler ihre Zähne: Nach den Resten der Touristenmahlzeiten.

Ich ahne, dass der Tag nicht mehr fern sein kann, an dem man den Bettlern vorschlagen wird, sich selbst zur Nahrung zu dienen. Das wird auch der Tag, ab dem eine Unterhaltung über blaue Astern und weiße Pierrotpüppchen sich erübrigt. Als Jonathan Swift die irische Hungersnot mithilfe von Kannibalismus satirisch heilen wollte, soll er zwar bereits nahezu dement gewesen sein. Doch heute Morgen berichtete mir ein Freund, dass Auschwitz-Mengele sich im südamerikanischen Exil seine Zeit damit vertrieb, Liebesgedichte zu verfassen. Der reale Horror ist nicht totzukriegen. Keiner sollte sich je auf einen Wettstreit mit ihm einlassen.

Aber selbst auf den Flüchtlingsseelenverkäufern und ihren auf See verlorenen Rettungsbooten, findet sich angeblich hin und wieder einer, dem ein Gedicht über die Lippen kommt, während hinter ihm seine Gefährten die Ruder bereits erheben, mit denen er erschlagen werden soll um ihnen zur Nahrung zu dienen.

Das sind die stillen Massaker der Hoffnung. Ungeeignet für Trost, während die leeren Herzen gegen Morgen durch die betonsanierten Friedhöfe der Stadtränder gehen.

Albert Camus erzählte von Regen, der so stark sei, dass er sogar das Meer nass mache. Ist Leben mehr als zu sterben wie Sisyphus, nachdem ihn seine steinerne Meditationshilfe im Stich gelassen hatte? Sollte er am Grund seines Felsens an einem Sonnenstich verreckt sein, könnte man immer noch behaupten, dass er wenigstens Frieden fand. Dort in seinem Nimmerlandsgrab zwischen Steinen und Hitze.

Leben ist Frist.*

* dieser Text ist eine Bearbeitung von Ereignissen, die sich zwischen dem Sommer 2015 und dem Herbst 2017 zutrugen…