Das Mööp ist eine graue Nölmuse, die einst falsch abbog und statt bei Bestsellerautorin Juli Z bei dem Autor landete, der zwar nichts über Biotomatenzucht in Brandenburg weiß, aber Romane über einen russischen Kannibalen verfasst. Während der Corona-Lockdowns erlebten die beiden bereits einige Abenteuer zusammen, die man hier nachlesen kann.
Der Smoothiemaker des Grauens kommt zum Einsatz bevor ich auch nur die Augen geöffnet habe.
Krrrrz
Krieeeehhhh
Krrrrz
Krieeeehhhh
Krrrrz.
Das Ding zermahlt da gerade in meiner Küchenzeile Bananen, Äpfel, frischen Babyspinat, Erdnussbutter und Salat zu einer grünen sämigen Masse. Nora Charlotte Heiligenfels von Ebersbach, die aus verarmtem Beamtenadel stammt, wird den grünen Brei bis gegen Mittag leeren. Das tut sie nachdem sie 20 Minuten (mindestens!) im Schneidersitz meditiert und danach eine Yoga-Session eingelegt hat. Man könnte auf die Idee kommen, dass Nora eine Hippie ist. Zumal sie hin und wieder Kurse in Meditation gibt und von Vorträgen über Polyarmorie, Slow Sex oder BDSM lebt. Außerdem klärt sie in Youtube-Videos fremde Menschen über Vaginenanatomie, Erektionsstörungen und Tantra-Massagen auf. Aber angesichts der Tatsache, dass ich nie zuvor irgendwen getroffen hätte, der sich so schwärzlich böse über Hippies, absurde seriöse Twitter-Krieger*innen, Yoga-Teacher oder Life-Coaches lustig macht, steht fest, dass Nora eben Nora ist und deswegen aus allen Kategorien fällt. Sie ist schlank, ein bisschen über eins siebzig groß, trägt bevorzugt schwarze Schlabberklamotten, redet hin und wieder Sanskrit im Schlaf und besteht außerdem darauf, dass ich mich feministisch korrekt mit ihr unterhalte, das heißt, mich ihrem Gesprächs-und Denktempo anpasse. Was mir schwerfällt. Mein Werkzeug sind Worte. Ich habe eine laute, tiefe Stimme und beides nutze ich auch. Lautsein hilft dabei recht zu behalten. Lebensweisheit.
Der Grund, aus dem der Smoothiemaker des Grauens gerade immer noch in meiner Küche röhrt, besteht darin, dass Nora mich als ihren aktuellen Geliebten erwählt hatte. Nora nennt Geliebte allerdings nicht Geliebte. Sondern besteht darauf die als Gefährten oder Gefährtinnen zu bezeichnen. (Sie findet es sei Verschwendung, Sex nur mit einem Geschlecht zu haben).
Fakt ist, dass Nora sich jetzt in meiner Wohnung befindet, aber Mööp nicht.
Denn das war eines Tages, nach dem vierten oder dritten Lockdown (wie viele von den Lockdowns hatten wir eigentlich?), so plötzlich verschwunden, wie es gekommen war.
Mööps stiller Abgang ist inzwischen über ein Jahr her. Und bis zu dem Tag als ich Nora traf, war es eines der beschissensten Jahre meines Lebens.
Punkt.
Mein Roman über Igor, den Kannibalen, erschien exakt zum selben Zeitpunkt als Sebastian Neureiter seinen neuen Megaseller auf den Markt warf, dessen Heldin eine …Na was wohl? Richtig: Kannibalin war! Die moralisch korrekt Killer, Vergewaltiger, Konzernbosse oder moralisch fragwürdig agierende CIA–Agenten aß.
Igor ging zwar nicht ganz kampflos unter, aber unter ging er nichtsdestotrotz.
Seither habe ich vier Ideen, sechs Plots und fünf Exposés für einen zweiten Band der auf mindestens vier Teile angelegten Igor-Reihe an den Verlag geschickt. Aber jeder davon war abgelehnt worden. Auf meinem Konto sieht es entsprechend leerreich aus. Weswegen neben dem Kühlschrank meiner Küchenzeile auch längst kein Guinness mehr steht, sondern bloß ein Kasten Sterni-Export.
Mein Agent geht auch immer seltener als Telefon wenn ich mich melde und im Verlag hat man mir eine neue Redakteurin zugewiesen, die findet, dass Igor trotz seiner Geliebten, der Chirurgin mit der Neigung zu ausgefallenen Kochrezepten, etwas mehr an „Wärme und Emotionalität“ brauchte. Die seien ihrer Meinung nach notwendig, damit sich „das Publikum mit ihm und seinen Problemen identifizieren“ könne. Sie ist Anfang dreißig und versucht mir impertinent einzureden, dass nur ein Liebesdreieck, in das Igor gerät oder eine plötzlich auftauchende Teenagertochter mit einem Drogenproblem aber einem genialen Hackertalent, die Reihe noch retten könnten. „Die Blogger*innen und Rezensent*innen auf Lovelybooks lieben das, weißt du?!“, sagt sie dann und ich frage mich, wie die Steigerungsform von alter weißer Mann ist und ob ich der schon entspreche.
Ich bin 48 Jahre alt. Ich finde Portale für Onlinerezensionen sind von mäßig talentierten Menschen für unmäßig talentlose Menschen geschaffen worden, um denen Raum und Gelegenheit zu verschaffen sich mithilfe von als „Rezension“ verbrämten Kommentaren permanent an Leuten zu rächen, denen vom Karma, Gott, Satan oder dem fliegenden Spagettimonster nun mal ein bisschen was an Talent mitgegeben worden ist.
Sicher reichte diese Auffassung schon, um mich bei meiner Redakteurin für die Liste an menschlich schwer handhabbaren männlichen Autoren zu qualifizieren. Andererseits genügt dafür aber vielleicht auch, dass ich The Clash in der Originalbesetzung noch live gesehen hatte und sogar mal – aus Versehen – mit den Puhdys Bier getrunken habe. Außerdem habe ich als Kind Raimund Harmstorf mal die Hand geschüttelt und es überlebt. Aber meine Redakteurin musste Jack London googeln um zu wissen wer oder was der Seewolf war.
Immerhin bin ich soweit aufgeklärt, dass ich die Verwendung von verschiedenen Pronomen für Menschen mit verschiedenen Geschlechtern oder solchen, die sich gar keinem zuordnen lassen wollen, inzwischen nahezu instinktiv beherrsche. Dass ein transitiver Mensch mit womöglich einigen traditionell eher weiblich zuzuordnenden Körpermerkmalen neben mir ins Männerpissbecken pieselt hebt mich emotional ungefähr so heftig an wie das winzige Loch, das ich vorgestern in meiner abgetragenen linken Socke entdeckte.
Ich habe auf Gruftikonzerten schon Safe Spaces erlebt, da waren die Twitter Onlinekrieger*innen noch nicht mal geboren. Nur nannte man das seinerzeit nicht so. Diesen Namen haben sich erst irgendwelche gelangweilten Hipster beim Fahrradputzen ausgedacht.
Gut, wenn das jetzt aus dem Weg ist, zurück zum beschissesten Jahr meines Lebens. Das sich nach Mööps Verschwinden und Igors Abtauchen in die Niederungen der Bücherramschkisten damit fortsetzte, dass ich mir meinen bevorzugten Tippfinger brach, mir mein Rad geklaut wurden und meine zweitliebste Bar einem Shop für Duftkerzen weichen musste. Die Inhaberinnen haben Nora instinktiv mit „Namaste“ begrüßt, worauf sie mit einem ruhrpottigem working class-kompatiblen „Mahlzeit!“ reagierte und die Duftkerzenladies hoffentlich nachhaltig in ihrer Sozialkompetenz verstörte.
Außerdem war ich in diesem Jahr gezwungen, an drei Beerdigungen teilnehmen und ich hasse Beerdigungen.
Selbst Nora konnte mich aus meinen hin und wieder vor mir auftauchenden schwarzen Launelöchern nicht immer befreien.
Egal.
Inzwischen bin ich aufgestanden, habe mir Kaffee gebrüht und sehe zu, wie Nora sich endlos grazil und sicher in einer ihrer Yogaposen verrenkt.
Hm, sexy.
Sie ist mit ihrem Yoga durch, nachdem ich meine zweite Tasse Kaffee eingeschenkt und mir die dritte Morgenkippe angesteckt habe.
„Rauchen ist ungesund“, sagt sie ein wenig atemlos, schenkt sich grünen Tee ein und dreht sich selber eine Zigarette. Dabei hat sie diesen Blick drauf, der mit einer leicht erhobenen Augenbraue einhergeht und den ich bisher nur grob als „Ankündigungsblick“ einordnen konnte, obwohl er mit diversen feinsten Abstufungen einhergehen kann, die meine emotionale Analyseintelligenz langfristig zu überfordern drohen. Mööp hatte ganz ähnliche Blicke auch drauf. Und die verhießen selten etwas Gutes. Etwas war im Busch.
„Nora? Du hast diesen Blick…“
„Jaaa, was fürn Blick?“, fragt sie, obwohl sie ganz genau weiß, was ich meine.
„Na diesen Blick eben, den hatte …“, sage ich, weil er mich unwillkürlich an Mööp erinnert, aber sie nicht weiß wer bzw. was das ist. „Schon gut“, versuche ich das Thema zu beenden.
„An wen erinnert dich mein Blick, Schatz?“, fragt sie und denkt wahrscheinlich an frühere Geliebte. Mir steht allerdings gerade Mööp vor dem inneren Auge und das ist kein sexy Anblick. Ich konzentriere die Erinnerungsbilder weg.
„Sag nicht Schatz, das tun nur Rentner!“, brummele ich, einerseits um die allerletzten Mööp-Bildfetzen zu vertreiben, andererseits aber auch weil’s einfach wahr ist.
„Ach?“, antwortet sie.
„Hm“, entgegne ich.
Nora atmet tief durch. Außerhalb von Yogaübungen und Meditationen sind tiefes Ein- und Ausatmen bei ihr nicht ganz und gar ein Gefahrenzeichen, aber völlig harmlose Gesten sind es auch nicht. Es war also immer noch etwas im Busch.
„Ich weiß, du brauchst deinen Space und mir ist auch bewusst, dass du ein bisschen autistisch unflexibel bist, was die nähere Umgebung deines Schreibtischs betrifft…“
Oha, dachte ich, autistisch unflexibel?
„Jaaa…“, sage ich leise.
Nora legt mir die Hand auf die Brust. Fühlt sich gut an. Trotz der zweifellos akut dräuenden Gefahr.
„Gestern als du im Garten warst und mit dem Jungbauern an der Pumpe gebastelt hast, habe ich den Drucker gebraucht um meinen Text über das Tantra-Retreat in Frankreich auszudrucken…“
„Ach….“, unterbrach ich sie und klang dabei ungewollt lauernd.
„Ja, die Farbpatrone ist übrigens fast alle!“
„Da hilft schütteln, danach ist die noch für nen kleineren Taschenbuchumfang an gedruckten Seiten gut…“
„Lifehack?“
„Für meinen Drucker, ja.“
„No shit Sherlock, was?“
„Nee“
„Aaaalso….“, beendete Nora das Zwischengeplänkel um zum eigentlichen Punkt zurückzukehren. „hinter deinem Drucker liegt Mäusekacke.“
Kabumm – Die Bombe war geplatzt. Noras Augenbraue geht in die steilste Hebestufe, ihr rechter Mundwinkel fällt unmerklich ab und ich hab das Gefühl ich bräuchte mehr Kaffee, mehr Zigarren und vor allem deutlich mehr Zeit um die Auswirkungen des Bombenwurfs durchdenken zu können.
„Schatz“, sagt sie sehr betont und deswegen absolut berechnet, „ich kann mit dem Staub auf den Bücherregalen leben. Gerade so. Ich glaube dir auch, dass du, seit wir uns kennen, den Staubsauger öfter einsetzt als früher. Ich bin Peta-Sympathisantin und Pazifistin. Aber ich werde diese Wohnung nicht mit dir und einer Maus teilen.“
Ich hatte keine Mäuse in der Wohnung. Aber genau dort, in der Ecke hinter meinem Drucker, lebte einst eine Nölmuse. Und selbst, wenn die sich von Bücherstaub ernährte, mussten dessen Reste nach dem Verdauungsvorgang ja irgendwohin. Ich hatte die Druckerecke seit Mööps Verschwinden nicht angerührt. Was sicher an einer tiefenpsychologisch möglicherweise begründbaren emotionalen Hemmung gelegen haben könnte. Immerhin habe ich mehr als ein Jahr lang meine Wohnung mit Mööp geteilt. Das musste schließlich Spuren hinterlassen. Aber wie hätte ich ihr – jetzt nach fast vier Monaten Beziehung – gestehen können, dass sie nicht über Mäusereste sondern ein Häufchen Musenkacke gestolpert war?
„Du hast neulich im Restaurant auch Gulasch gegessen und du liebst mein Huhn mit Weintrauben und Knoblauch.“
„Keines von den Hühnern oder Schweinen ist aber wegen mir gestorben, bevor es in der Pfanne oder auf dem Teller landete!“
„Der Gulasch war Halb und Halb, da waren auch Kuhschnipsel drin!“, entgegnete ich lahm.
Ihr Kopf bewegt sich in einer abfälligen Geste. „Das ist eine unfaire Diskussion!“, sagt sie.
Ich gebe mich geschlagen.
„Irgendwo liegt noch eine Falle herum. Ich kümmere mich drum.“
„Was für eine Falle?“
Ich ahnte die nächsten Fettnäpfchen. Sie hatte Peta sehr bewusst erwähnt. „Eine Falle halt.“
„Du wirst diese Maus aber nicht töten damit?“
„Das ist ne Lebendfalle! Die Maus tippelt da rein, nibbelt ein bisschen an dem Köder, dann schnappt die Falle zu und sie ist darin gefangen. Absolut Peta-sicher.“
Traute sie mir?
Ich warf einen langen Blick zum Drucker. Dann schaute ich zu Nora und fragte mich, ob sie es mitkriegte, wenn ich eine Falle auftrieb, zum Schein aufbaute, dann morgen früh oder vielleicht auch heute Abend behauptete, dass ich die Maus gefangen und im Garten entsorgt hätte?
Hm, es würde zu ihr passen, dann enttäuscht zu sein. Weil sie die vermeintliche Maus zumindest hätte mal sehen wollen.
Trotzdem stand mein Entschluss fest: Die nicht existente Maus würde zum Schein von mir allein entsorgt werden.
Basta.
Natürlich fand ich keine Lebendfalle. Ich fand ja nicht mal eine Killermausefalle. Also ging ich gegen Abend drei Häuser weiter zum Jungbauern, trank bei ihm ein Bier und machte mich schließlich bei seiner Frau unbeliebt, als ich erwähnte, dass ich eine Mausefalle bräuchte, und zwar eine für lebend.
„Sag mal?! Du hast Mäuse in deiner Wohnung?“, fragte sie empört.
„Nur eine! Wenn überhaupt…“, verteidigte ich mich.
„Mann!“, sagte sie. „Lebendfalle? Die tun mir ja auch leid, wenn die da platt gedrückt in der Falle hängen. Aber wenn ich dran denke, dass die ja auch wieder kommen könnte, wenn du sie im Garten freilässt..?!“
An der Frau des Jungbauern war kein Peta-Mitglied verloren gegangen.
„Wir leben auf dem Land, da sind Mäuse normal!“, entgegnete der Jungbauer, trank einen größeren Schluck Bier und ging dann mit mir in seinem zur Werkstatt umgebauten und mit Holz verkleideten Überseecontainer. Wo er nach einigem Umherkramen tatsächlich eine ziemlich große angerostete Lebendfalle fand. „Eigentlich ist die für Waschbären. Aber wenn’s ne normale Feldmaus ist, kommt die auch nicht durch die Gitter“, erklärte er. „Junge Spitzmäuse schon…“, fügte er nach einem weiteren Schluck Bier bedächtig hinzu.
„Macht nix“, antwortete ich.
Nora betrachtete die Falle skeptisch und überprüfte dann um ganz sicherzugehen, dass ich nicht gelogen hatte, mehrmals deren Funktionsweise.
„Gut!“, sagte sie schließlich.
Während ich weg war hatte sie recherchiert und das kann sie fantastisch. Jetzt und hier hätte sie jeder Fachdiskussion mit einem Mäuseforscher standgehalten. „Wahrscheinlich haben wir es mit einer Hausmaus, Mus Musculus, zu tun, die zu den Altweltmäusen zählt und eine kleinere Art der Langschwanzmäuse Muridae darstellt. Sie kackt ungefähr vier bis sechs Gramm am Tag.“
„Na toll. Vier Gramm, was?“
„Eigentlich vier bis acht. Das kommt auf Größe, Alter und Ernährungssituation an“, antwortet sie. „Was willst du für Köder verwenden?“
„Es ist eine Maus. Ich lege da Käse rein.“
„Cheddar?“, fragt sie lauernd.
„Anderen Käse haben wir nicht.“
„Der ist kräftig. Da ist viel Salz drin. Zuviel Salz ist ungesund für die Maus“, meint Nora.
„Ich hab noch ein bisschen Bratwurst vom Fleischer aus dem Nachbardorf?“, schlage ich vor.
„Die ist geräuchert! Da ist bestimmt noch mehr Salz drin!“ antwortet sie empört, holt die Cheddar-Packung und reicht sie mir mit einem misstrauischen Blick. „Ich übernehme keine Verantwortung für die Gesundheit der Maus!“, verkündet sie dann.
Natürlich nicht, du willst das Vieh nur loswerden, denke ich und bastele missmutig ein Stück Käse auf den Ködermechanismus.
So. Fertig.
Ich stelle die Falle auf.
Es war halb elf Uhr abends. Wir gingen schlafen. Was für Nora ein komplexes Ritual aus umkleiden, im Bett einkuscheln, mindestens noch einmal aufstehen, dann erneutem einkuscheln und an mich heran schmiegen bedeutet, bis sie mich fast bis zur Bettkante gedrängt hat, wogegen ich mich wehre und sie zur Bettmitte schiebe um dann endlich bereit zum Schlafen zu sein. Unweigerlich ende ich am Morgen trotzdem knapp vor der Bettkante. Es ist eines von Noras ganz großen Geheimnissen, wie sie das hinkriegt, aber sie schafft es – jedes Mal.
Vorm Einschlafen, ihren Arm irgendwo über meiner Schulter und ihre Schlafmaske mit der Werbeaufschrift einer Softeisfirma leise an meiner Haut kratzend, denke ich darüber nach, weshalb Softeisformen Schlafmasken mit Werbung bedrucken und frage mich dann – in exakt dieser Reihenfolge – wie ich ihr die Existenz von Nölmusen beweisen und noch dazu erklären könnte, dass eine davon einst auf ihrem Weg zu Julie Z nach Brandenburg irgendwo falsch abbog und deswegen für ein paar Monate bei mir landete.
Der Schlaf übermannt mich bevor ich zu einer Lösung für beide Rätsel komme.
Typisch.
Seit wir uns kennen ist Nora nur ein halbes Dutzend Mal früher aufgewacht als ich, weswegen ich mich safe glaubte, unbeobachtet von ihr die vermeintliche Entsorgung der ebenso vermeintlichen Maus bewerkstelligen zu können.
Etwa 8 Stunden später erwache ich weil mir kalt ist. Ich schaue mich um. Nora ist weg und meine Decke liegt vorm Bett am Boden. Zusammen mit Nora ist auch ihre – viel dickere Decke – verschwunden.
Hm, seltsam.
„Oh wie süüüüüüüüüüüüß!“, höre ich plötzlich halblaut durch die Wohnung schallen.
Ich fühle mich von der Situation überfordert.
Während ich mich aus dem Bett schwinge, dabei auf die Decke trete, die über dem Laminat wegrutscht und ich daher hinfalle, stößt Nora weitere Worte aus. Die ich jedoch nicht verstehe, weil ich mir den Hinterkopf an der Bettkante angestoßen habe und gerade bunte Sterne sehe.
Während ich mich aufrappele, spielt mir mein leicht erschüttertes Hirn einen bösartigen Streich. Es gaukelt mir vor, Mööp hätte sich in der Mausefalle gefangen, obwohl die natürlich viel zu klein für eine Nölmuse gewesen wäre.
Fluchend und frierend nähere ich mich Nora, die eingewickelt in ihre Bettdecke vor dem Drucker steht und erstaunt zu Boden blickt. In der Hand hält sie die angerostete Lebendfalle für Waschbären des Jungbauern.
„Die Maus ist abgehauen! Ich hab die Falle angehoben und da ist sie abgehauen. Sie ist grau.“
Natürlich, Hausmäuse waren grau, denke ich.
„Und jetzt?“
Nora zuckt die Achseln. Was sehr sexy wirkt.
„Die ist weg. Und sie kackt vier bis acht Gramm pro Tag“, sagt sie leise und irgendwie enttäuscht.
Ich habe Grund zur Verwunderung. Und zwar nicht nur, weil es tatsächlich eine Maus in meiner Wohnung gab. Sondern auch darüber, wie so kleine Viecher derart viel kacken konnten. Außerdem war ich mir plötzlich sicher, dass ich mich für sehr, sehr lange Zeit regelmäßig immer wieder fragen würde, wohin, wieviel und in welch konkreter Konsistenz eigentlich Nölmusen kackten….